Im Dossier über den Aufbau der Atome wird kurz und richtig beschrieben, dass Atome aus der Atomhülle und dem Atomkern bestehen. In der Atomhülle befinden sich elektrisch negativ geladene Elektronen, der Atomkern enthält elektrisch positiv geladene Protonen und elektrisch neutrale Neutronen. Und da es in der Atomhülle so viel negative Elektronen gibt wie positive Protonen im Atomkern, ist das ganze Atom nach außen elektrisch neutral. Gut! Aber wie ist das dann mit dem Atomkern mit den elektrisch positiv geladenen Protonen?
Beim Wasserstoff ist ja noch alles ganz klar und einfach. Der Atomkern des Wasserstoffs enthält nur ein einziges elektrisch positiv geladenes Proton. Da kann nichts passieren. Aber beim Helium sind zwei positive Protonen im Kern, beim Eisen bereits 26, und beim Blei gar 82. Müsste da nicht der ganze Atomkern auseinander fliegen, da sich doch elektrisch gleichartig geladene Teilchen abstoßen?
Aber die Atomkerne von Helium und Eisen und Blei halten dennoch zusammen. Es muss also eine in den Kernen wirkende Kraft geben, die der abstoßenden elektrischen Kraft - der Coulomb-Kraft - zwischen den positiv geladenen Protonen entgegenwirkt und die Kernbausteine zusammenhält.
Diese Kraft nennt man Kernkraft.
Die fundamentalen Kräfte der Physik
Nach heutiger Erkenntnis existieren vier fundamentale Kräfte, welche bestimmen, wie Materie sich verhält. Der „Kraft”-Begriff wird in der modernen Physik üblicherweise durch „Wechselwirkung” ersetzt. Diese fundamentalen „Kräfte” sind die Schwerkraft, die elektromagnetische Kraft, die schwache Kraft und die starke Kraft. Die Wirkung einer jeden Kraft reicht unterschiedlich weit und wirkt in ganz verschiedener Art.
Die Schwerkraft oder Gravitation reicht über sehr große Entfernungen. Sie wird erst messbar bei einer großen Menge an Materie. Die Gravitation bestimmt die Form und Größe der Strukturen im Universum. Sie beherrscht weitgehend unseren Alltag, sie bestimmt unser „Oben” und „Unten”.
Die elektromagnetische Kraft wirkt wie die Gravitation auch auf große Entfernungen. Elektrische Ladungen gleicher Art stoßen sich ab, entgegengesetzte Ladungen ziehen einander an. Man spricht dabei auch von der Coulomb-Kraft, die also sowohl abstoßend, als auch anziehend wirken kann. Diese Eigenschaft ist eine ganz andere als die der Gravitation, die nur anziehend wirkt. Die elektromagnetische Kraft ermöglicht die ganze Elektronik. Sie bestimmt die Wirkung von Fernseher, Handys und das Internet, und somit auch diese Webseite.
Die schwache Kraft wirkt bei den winzigsten Elementarteilchen. Sie wird schwach genannt, da der Wechselwirkungsquerschnitt sehr klein ist. Dennoch ist die Kraft, wenn sie wirkt, größer als die elektromagnetische Kraft. Die schwache Kraft ist auch für gewisse radioaktive Zerfälle von Atomkernen verantwortlich. Sie hat die kürzeste Reichweite von allen Kräften.
Die starke Kraft - die Kernkraft - wirkt nur im Atomkern. Sie ist für den Zusammenhalt der Protonen und der Neutronen im Atomkern verantwortlich. Sie hält so die Kernbausteine zusammen. Sie ist viel stärker als die Coulomb-Kraft und kann daher die Atomkerne gegen die gegenseitig elektrische Abstoßung der Protonen stabilisieren.
Vergleicht man nun die „Stärke” der vier Kräfte Gravitation, elektromagnetische, schwache sowie starke Kraft und setzt die der Gravitation mit 1 an, so ergibt sich:
1 : 102 : 1013 : 1038
Die Kernkräfte FK haben eine sehr geringe Reichweite und können nur zwischen benachbarten Kernteilchen wirken. Während bei der elektromagnetischen Kraft Fel die Wirkung entsprechend der 2. Potenz des Abstands r - also entsprechend 1/r2 - abnimmt, nimmt die Kernkraft mit der 7. Potenz des Abstands ab - also entsprechend 1/r7 (Abb. 1). Erst wenn die Kernteilchen so dicht beieinander liegen, dass sie sich fast berühren, beginnen die Kräfte zu wirken. Es ist so ähnlich wie bei klebrigen Bonbons, die erst aneinander haften, wenn sie sich berühren.

Bildquelle: Kernenergie Basiswissen
Bei größerer Entfernung zwischen zwei Protonen wirken nur die abstoßenden elektrischen Kräfte (a). Bei geringer Entfernung werden die Kernkräfte wirksam. Sie sind stärker als die elektrischen Kräfte.
Wegen der geringen Reichweite werden die Kernkräfte nur zwischen unmittelbar benachbarten Kernteilchen wirksam. Besteht ein Atomkern aus nur einigen wenigen Teilchen, ist jedes Teilchen mit jedem anderen in Kontakt. so dass die Kernkräfte wirksam werden können. Und die Kernkraft wirkt zwischen allen Teilchen, unabhängig ob die Teilchen elektrisch geladen sind oder nicht. Die Kernkräfte haben also gleiche Größe zwischen den Teilchenpaaren Proton - Proton, Proton - Neutron und Neutron - Neutron.

Bildquelle: Kernenergie Basiswissen
Ist die Teilchenzahl größer, kann nicht mehr jedes Kernteilchen über Kernkräfte mit jedem anderen in Wechselwirkung treten. Anders ist es bei den im Kern auftretenden elektrischen Kräften. Sie stoßen sich alle untereinander ab, auch über die Entfernung vieler Kernteilchen hinweg.
Auf dem Bild, auf dem die Kernkräfte (blaue Pfeile) und die elektrischen Kräfte (grüne Pfeile) nur für das mit X bezeichnete Proton angegeben sind, lässt sich dies gut erkennen: Es zeigt, dass die „anziehenden” Kernkräfte nur zwischen benachbarten Kernteilchen wirksam sind, die „abstoßenden” elektrischen Kräfte hingegen auch über größere Entfernungen wirken.

Bildquelle: Kernenergie Basiswissen